BMW R12 vs. Royal Enfield Shotgun 650

Kaum zu glauben! Beide Motorräder kann man in der EU auch mit 48 PS und somit mit A2 Führerschein pilotieren. Auch die große 1200er BMW kann man anstelle der 95 PS auch mit 48 PS ausliefern lassen. Erstaunlich!

Auf der einen Seite steht die brandneue BMW R12, ein Statement auf zwei Rädern, das alles repräsentiert, was die Bayerischen Motorenwerke in den letzten Jahren perfektioniert haben. Auf der anderen Seite steht die Royal Enfield Shotgun 650, ein sympathischer Herausforderer aus Indien, der mit einem Preis-Leistungs-Verhältnis auf den Markt rollt. Die Frage, die sich stellt: Kann der preisgünstige Herausforderer gegen den Luxuscruiser aus München bestehen? Wir fuhren beide Motorräder ausgesprochen intensiv im Rahmen der Balkan Rally. Beide Motorräder musste die Distanz von 2.500 km absolvieren. Beide Motorräder wurden von 8 Testpiloten gefahren. Es wurde kräftig getauscht und danach über die Motorräder gesprochen. Welches Bike spricht welchen Piloten an?

Was ist die Balkan Rally?

Die Balkan Rallye ist keine gewöhnliche Motorradtour, sondern eine Mischung aus Abenteuer, Retro-Charme und exklusivem Genuss. Ursprünglich für Oldtimer-Automobile konzipiert, hat sich die Veranstaltung im Laufe der Jahre auch für klassische Motorräder und Retro-Bikes geöffnet. Der Startschuss fällt traditionell in Budapest, von wo aus die Teilnehmer über malerische Routen durch den Balkan bis zur Küste in der Region Kotor fahren. Die Veranstalter setzen dabei auf höchsten Komfort – die Etappen enden stets in ausgesuchten, luxuriösen Hotels. Begleitet von einem Espresso-Mobil und abendlichen Champagner- und Weinverkostungen, bietet die Rallye ein stilvolles Rahmenprogramm, das den Austausch mit Automobil- und Motorrad-Enthusiasten fördert. Doch das ist längst nicht alles: Während der täglichen Etappen müssen die Teilnehmer ihre Ankunftszeit durch das Lösen von Rätseln und das Meistern von Foto-Challenges ermitteln. Zu schnell oder zu langsam zu fahren, bringt Strafpunkte ein – es geht also um die perfekte Balance. Trotz des automobilorientierten Fokus der Rallye fühlen sich die Motorradfahrer in der Runde willkommen, denn die entspannte Atmosphäre und die vielfältigen Aufgaben machen die Rallye zu einem einzigartigen Erlebnis, das weit über eine gewöhnliche Tour hinausgeht. Auch 2025 wird die Balkan Rallye wieder mit neuen Routen und Herausforderungen aufwarten – ein Event, das auf der Bucket-List jedes Retro- und Motorrad-Liebhabers stehen sollte.

Hier weitere Informationen zur Rallye.

Die Ausrüstung der 1000PS Crew für die Balkanrally 2024

Die gesamte Crew setzte bei der Reise auf lässige Retro-Style Klamotten von Held. Besonders erwähnenswert ist dabei der Sirmione Gore Tex Sneaker oder auch die leiwande Lederjacke Jester.

Wir verwendeten für alle Motorräder die selbe Gepäcklösung: Die Legend Gear Hecktasche von SW-Motech. Diese bietet vielfältige Befestigungsmöglichkeiten und ist sehr günstig und kompakt. Die Tasche hat auf 8 verschiedenen Bikes jeweils fast 3.000 km bei widrigen Wetterbedingungen durchhalten müssen!

Vor der Rallye imprägnierten wir unsere Klamotten kräftig mit dem PROTEX Spray von MOTOREX. Während der Rallye nutzten wir die kleinen und wiederbefüllbaren Mini-Kettenspraydosen von MOTOREX.

Die Kommunikation hat diesmal super gut geklappt. Das gesamte Team war mit Cardo Packtalk Geräten verbunden. Die Akkus hielten jeweils den ganzen Tag durch und die Geräte waren 100% wasserdicht. Die Soundqualität war großartig, die Kombination von "Navigationsansagen" + "Musik" + "Kommunikation" klappte problemlos. Auch gelegentliche Telefonanrufe konnten das System nicht überlasten. Große Empfehlung für große Abenteuer in der Gruppe!

Beim Helm setzte das gesamte Team auf den HJC V10. Der Helm bietet vielfältige Designoptionen und hat wunderbar zu unseren schönen Motorrädern gepasst. Auf der langen Tour genossen wir den hohen Tragekomfort.

Bei der Navigation hatten wir Roadbooks der Rennleitung zur Verfügung. Wir haben jedoch versucht den Verlauf der Strecke möglichst genau mit Calimoto nachzuzeichnen. Bei der Anreise nach Budapest und vor allem bei der Rückreise von Kotor haben wir aus Wettergründen auf die "schnellste" Option Autobahn gesetzt. Wer die Tour bei gutem Wetter nachfahren möchte, sollte die Schieberegler bei Calimoto für diese Abschnitte auf "kurvig" setzen. Hier der Link zum groben Routenverlauf.

Die 1000PS Crew bei der Balkanrally 2024

• Amelie
• Mex
• Poky
• Philipp
• Carlos
• Marcel
• Wolfgang Weiß
• Micha
• Nils

Kaum steht die Royal Enfield Shotgun 650 vor mir, ist klar: Hier geht es nicht um Technologie-Wettkämpfe oder PS-Wahnsinn. Die Enfield strahlt puren Retro-Charme aus, ohne dabei gekünstelt zu wirken. Ihr klassisches Design erinnert an eine längst vergangene Ära des Motorradfahrens, als Geschwindigkeit nicht alles war und man den Wind noch durch die Finger spürte. Der Tank, schlank und elegant, der runde Scheinwerfer und die harmonisch geschwungenen Linien machen sie zu einem echten Hingucker.

Die BMW R12 hingegen tritt wie ein Rockstar auf, der sich seiner selbst absolut bewusst ist. Alles an diesem Motorrad schreit "Boxer BMW!": Der prächtige, querliegende Boxermotor ragt imposant in den Fahrtwind, der tropfenförmige Tank fließt nahtlos in die massive Front. Es ist ein Motorrad, das „ich kann alles“ ausstrahlt und die Blicke auf sich zieht – selbst wenn es stillsteht. Während die Royal Enfield uns auf eine Reise in die Vergangenheit mitnimmt, bringt die BMW modernes Motorradvergnügen mit einer Prise Nostalgie.

Unter dem schlanken Tank der Royal Enfield versteckt sich ein 648 ccm großer Parallel-Twin-Motor, der mit 47 PS aufwartet. Diese Maschine lädt zum Cruisen ein. Die Leistung ist nicht darauf ausgelegt, Rekorde zu brechen – aber das ist auch nicht der Punkt. Vielmehr geht es hier um entspanntes Fahren, das Gefühl, eins mit der Straße zu werden. Der Motor fühlt sich so an, als wäre er direkt aus den 60ern in die Gegenwart gebeamt worden, und genau das ist sein Reiz. Einfach, ehrlich und unaufgeregt – ein Motorrad, das dich entschleunigt und den Alltag vergessen lässt.

Die BMW R12 ist das komplette Gegenteil. Hier sorgt ein 1170 ccm großer Boxermotor für Vortrieb. Mit 95 PS auf dem Datenblatt zeigt die BMW, dass sie nicht nur gemütlich, sondern auch schnell kann. Der Boxer ist ein Kraftpaket, das dennoch sanft und kultiviert agiert. Er hat diese typische Boxer-Balance, die sanftes Cruisen ebenso ermöglicht wie dynamische Fahrten über kurvige Landstraßen. Die Leistung ist jederzeit abrufbar, der Schub kommt gleichmäßig, ohne Hektik, aber mit dem nötigen Nachdruck. Das Geräusch des Boxers? Pure Symphonie! Im Vergleich zu den modernen 1250er oder 1300er BMW Boxermotoren bringt er auch noch jede Menge Lebendigkeit mit sich. Er ruckelt ein wenig. Die Motorbremswirkung ist nicht so glattgebügelt wie bei den modernen Motoren und man hat das Gefühl eine riesige Maschine zu dirigieren.

Die BMW bringt 229 kg auf die Waage während die Royal Enfield 233 kg wiegt. Trotzdem ist die Royal Enfield insgesamt das etwas zugänglichere Fahrzeug. Der Motor ist einfach zahmer das Motorrad erfordert weniger Aufmerksamkeit und Konzentration. Die R12 lässt sich jedoch auch präzise und problemlos dirigieren. Bei unserer Rally hat eine komplett verregnete Tagesetappe unsere neue Kollegin Amelie absolviert. Ihren großen Motorradführerschein hat sie erst seit wenigen Monaten und die Tour am Balkan war ihre erste große Tour mit einem großen Motorrad. Sie kam mit der 1200er BMW wunderbar zurecht und fühlte sich immer wohl und sicher auf dem vermeintlich schweren Motorrad. Auf der anderen Seite entzückte die Shotgun 650 auch die Herzen der erfahrenen Piloten. Im Sattel wurde es nicht langweilig - man hatte Freude an der Fahrt. Bei den langen Etappen stand jedoch die BMW höher im Kurs. Ihre Vorteile waren jedoch pragmatischer Natur: Heizgriffe, Tempomat und höhere Reichweite!

Wer Komfort und Technik liebt, wird bei der BMW R12 kaum Wünsche offenlassen. Beheizbare Griffe, Kurven-ABS, Traktionskontrolle, Fahrmodi – es gibt einfach alles. Der Fahrkomfort ist hervorragend, der Sattel fühlt sich auch nach mehreren Stunden noch bequem an. Wer lange Touren plant, ist mit der R12 bestens bedient.

Die Royal Enfield Shotgun 650 bietet weniger Schnickschnack, dafür aber eine Rückbesinnung auf das Wesentliche. Der Sitz ist bequem, aber einfach richtig weich. Traktionskontrolle? Fehlanzeige. Hier geht es ums pure Fahren, ohne Ablenkung durch Assistenzsysteme oder Fahrmodi. Für manche mag das ein Nachteil sein, für andere ist es genau das, was Motorradfahren ausmacht. Die Enfield konzentriert sich auf das Wesentliche – und das macht sie verdammt gut.

Die Fahrwerke der beiden können unterschiedlicher nicht sein. Die BMW fühlt sich auf gutem Asphalt richtig wohl. Das Fahrwerk wirkt überraschend sportlich und das Motorrad zieht präzise und stabil seine Spur. Die Royal Enfield wirkt dagegen etwas gemütlicher und weicher. Die kurzen Federwege und die straffe Abstimmung der BMW sind über weite Teile der Tour kein Problem. Doch bei stärkeren Schlägen kriegt man diese gnadenlos durchgereicht. Die 90mm Federweg der BMW bieten einfach zu wenig Reserven bei schlechtem Asphalt. Die Royal Enfield ist weicher und wirkt bei Bodenwellen weniger souverän. Unebenheiten im Asphalt sorgen hier für weniger Schmerzen, dafür muss man aber den Gasgriff schließen. Insgesamt ist die Royal Enfield gemütlicher, gelassener und weicher. Die BMW ist sportlicher, knackiger aber bei schlechtem Asphalt auch gnadenloser als die Royal Enfield.

Die Royal Enfield Shotgun 650 ist kein Kilometerfresser. Sie macht auf langen Strecken eine gute Figur, aber bei Autobahngeschwindigkeiten wird es etwas ungemütlich. Bei Überholmanövern muss man das Motorrad etwas quälen und es fühlt sich einfach nicht so harmonisch an. Auch die Royal Enfield hat im Rahmen der Rally 2.900 km absolviert. Die Piloten stiegen immer mit einem Grinsen von dem Motorrad ab. Aber bei den Autobahnetappen war die Enfield einfach nicht das beliebteste Motorrad.

Die BMW R12 ist hingegen das, was man einen echten Langstreckenkönig nennt. Hier hat die Reise gerade erst begonnen, wenn du nach 200 - 300km Kilometern das erste Mal anhalten musst. Sie saugt die Straße förmlich auf, die Kilometer fliegen nur so dahin. Sitzkomfort und Motorleistung sind wie gemacht für die lange Tour – egal ob quer durch Deutschland oder entlang der Adriaküste. Wer es ernst meint mit dem Reisen auf zwei Rädern, wird an der BMW nicht vorbeikommen.

Die R12 hat uns beim Test positiv überrascht. Wir erwarteten eine Sparversion der großen R18. Aber wir bekamen eine wirklich punktgenau gut getroffene Maschine. Es macht einfach richtig viel Spaß mit der Maschine auf Tour zu gehen. Nebenbei sieht sie großartig aus und bietet einzigartiges Boxer-Motorrad Feeling. Dieses Motorrad ist großartig. Warum habe ich nicht schon längst eine gekauft? Sofort nach der ersten Tagesetappe habe ich bei BMW Motorrad den Konfigurator angeworfen. Über 20.000 Euro kostet das gute Stück in meiner gewünschten Konfiguration. Billiger als eine R18 oder eine Harley, aber als Drittmotorrad in der Garage doch ein wenig zu teuer. Doch wer einen charmanten Cruiser sucht und damit auch wirklich viel fahren möchte - der wird mit der R12 sehr happy sein. Ein Cruiser für echte Motorradfahrer.

Anders stellt sich die Situation bei Royal Enfield dar. Man blickt auf ein Motorrad das alles tapfer mitmacht und auch ein cooles Image hat. Danach wirft man einen Blick auf die Preisliste und ist positiv überrascht. Erstaunlich wie viel Motorrad man für diesen Preis kriegt. Je nach Land / Steuern kostet das Motorrad cirka 8.000 Euro. Die Maschine glänzte im Fahrerlager zwischen Ferraris und Porsches und legte einen selbstbewussten Auftritt hin. Sie ist ein Motorrad welches man sich gerne noch zusätzlich in die Garage stellt. Ein Motorrad für besondere Anlässe das Blicke auf sich zieht und unkompliziert für vielfältige Ausfahrten bereit steht. In jedem Fall wurde das Segment der Cruiser im Jahr 2024 um zwei großartige Motorräder bereichert.