BMW HP2 Megamoto: Der legendäre Retro-Test des Bayern-Supermoto

Als ich im August 2007 die Schlüssel der damals brandneuen BMW HP2 Megamoto in die Hand gedrückt bekam, ahnte ich bereits, dass dieser Test anders werden würde. Das Rosaliengebirge bot die perfekte Kulisse für ein Motorrad, das wie kein anderes zuvor den konservativen Charakter der bayerischen Marke auf den Kopf stellte. Heute, 17 Jahre später, blicke ich zurück auf eine Maschine, die BMW's Image nachhaltig veränderte und den Weg für die spätere S 1000 RR ebnete.

Schon damals fiel mir auf, wie die HP2 Megamoto am Wiener Gürtel für Aufsehen sorgte. Das grelle Blitzlichtgewitter der Radarfallen wurde zum ständigen Begleiter, denn diese Maschine wollte einfach ungezogen bewegt werden. Der edle weiße Lack, der vermutlich aus der 7er-Serie stammte, die echten Carbonteile und der dominante Boxermotor machten sie zum Blickfang. Mit einer Sitzhöhe von 890 Millimetern war sie definitiv kein Motorrad für jedermann - aber genau das sollte sie auch nie sein.

Der 1200er Boxermotor mit seinen 113 PS mag heute keine Rekordzahlen mehr schreiben, doch das brutal einsetzende Drehmoment von 115 Nm bei 6.000 Umdrehungen prägte sich tief in mein Gedächtnis ein. Die Kombination aus langem Radstand, hochwertigem Öhlins-Fahrwerk und dem niedrigen Schwerpunkt des Boxermotors machte die Megamoto zu einem einzigartigen Fahrerlebnis. Besonders in Erinnerung blieb mir die direkte Verbindung zwischen Gasgriff und Hinterrad - ohne dämpfende Kette, nur der pure Kardan.

Die Jahre haben gezeigt, dass die anfängliche Skepsis gegenüber BMWs radikalem Experiment unbegründet war. In den Foren berichten Besitzer von erstaunlicher Langlebigkeit des Boxermotors. Die typischen Kinderkrankheiten der frühen R1200-Modelle, wie Kupplungsprobleme oder undichte Ventildeckel, traten bei der HP2 Megamoto deutlich seltener auf - vermutlich weil BMW hier besonders sorgfältig arbeitete und Erfahrungen einfließen hat lassen. Ein wiederkehrendes Thema in der Community ist der Spritverbrauch. Bei artgerechter Haltung genehmigt sich die Megamoto gerne 8-9 Liter Super Plus, was bei nur 13 Litern Tankinhalt häufige Tankstopps bedeutet. Doch die Besitzer nehmen das gerne in Kauf - für viele ist sie zum geschätzten Zweitbike für besondere Anlässe geworden.

Die Wartungsfreundlichkeit zeigt sich zweigeteilt: Während Routinearbeiten dank des frei zugänglichen Boxermotors relativ einfach sind, macht die hochwertige Spezialausstattung manche Reparaturen kostspielig. Das Öhlins-Fahrwerk erweist sich als extrem langlebig, vorausgesetzt, es wird regelmäßig gewartet. Die Bremsen ohne ABS verlangen nach feinem Gefühl, bieten dafür aber eine hervorragende Dosierbarkeit. Die Ersatzteilversorgung gestaltet sich dank der technischen Verwandtschaft zur R1200-Familie weitgehend problemlos. Nur bei den HP2-spezifischen Teilen wie Verkleidungselementen oder speziellen Anbauteilen wird es teilweise schwierig und kostspielig.

Die HP2 Megamoto hat sich zu einem gesuchten Sammlermodell entwickelt. Während der ursprüngliche Neupreis vielen potenziellen Käufern die Tränen in die Augen trieb, erweisen sich gut gepflegte Exemplare heute als erstaunlich wertstabil. Die Preise für gepflegte Exemplare beginnen bei etwa 12.000 Euro, besonders gut erhaltene Modelle mit niedriger Laufleistung werden deutlich darüber gehandelt. Die Preise erreichen gerne auch mal 20.000 Euro. Manchmal finden sich BMW HP2 Megamoto Gebrauchtmotorräder auf 1000PS. Das Angebot ist überschaubar - pro Jahr kommen in Deutschland, der Schweiz und Österreich nur etwa 20 Exemplare auf den Markt. Interessenten sollten besonders auf die Wartungshistorie achten und sich von vermeintlichen Schnäppchen nicht blenden lassen. Ein gepflegtes Exemplar mit lückenloser Historie ist sein Geld wert.

Die HP2 Megamoto war ihrer Zeit voraus. Was damals als radikales Experiment erschien, hat sich als Wegbereiter für BMWs sportliche Zukunft erwiesen. Die Kombination aus hochwertigsten Komponenten, kompromissloser Abstimmung und dem charakterstarken Boxermotor macht sie auch heute noch zu einem einzigartigen Motorrad. Für große Fahrer ab 1,80 Meter, die ein außergewöhnliches Motorrad suchen und das nötige Kleingeld mitbringen, ist die HP2 Megamoto auch 2024 noch eine interessante Option. Sie verbindet klassische BMW-Tugenden mit einem Hauch Rebellion - und genau das macht sie zum zeitlosen Charakterbike. Mein damaliges Fazit bestätigt sich heute mehr denn je: Die HP2 Megamoto ist keine rationale Entscheidung, sondern eine Herzensangelegenheit. Und genau deshalb lieben ihre Besitzer sie so sehr.