Evolution über Revolution - Triumph Speed Twin 900 2025 im Test

Dass das vor wenigen Jahren noch als “Street Twin” bezeichnete Bike der Verkaufsschlager unter den Triumph-Klassikern ist, ist kein Geheimnis. Triumph gelingt es mit diesen Modellen schon damals, den Bonneville-Charme unverkennbar nach außen zu strahlen und mit Hilfe des charakterstarken, zugänglichen Motors eine Klassik-Ikone zu werden . Aber auch die Street Twin hatte ihre Macken. Oft wurde über ein zu weiches Fahrwerk, eine für große Fahrer zu niedrige Sitzhöhe und mangelhafte Bereifung geklagt. Die neue Speed Twin 900 bekommt aber nicht nur in diesen Punkten ein Makeover - auch andere Komponenten wurden überarbeitet und optimiert.

Das Herzstück des Motorrads darf aufatmen, denn hier wird lediglich homologiert. Der Parallel Twin mit 65 PS bei 7.500 U/min und einer Maximalleistung von mächtigen 80 Nm bei nur 3.800 U/min hat auch mich in seinen Bann gezogen. Ein Drehmoment, das die Street Triple erst bei ca. 6.000 weiteren Umdrehungen erreicht, bekommt man hier quasi unmittelbar nach dem Start geliefert. Die Gänge wollen ausgefahren werden, der satte Klang sorgt für ein breites Grinsen und das 6-Gang-Getriebe vermisse ich hier keine Sekunde. Die Anti-Hopping-Kupplung arbeitet präzise und weich, während die Fünfgang-Getriebeübersetzung den Charakter des Motors betont. Zwei Fahrmodi – Road und Rain – optimieren die Leistungsentfaltung je nach Situation und sind mit Kurven-ABS und -Traktionskontrolle verbunden.Allerdings wird schnell klar, dass die 900er-Version nicht für Highspeed-Liebhaber gemacht ist. Während die ersten drei Gänge kräftig und spritzig sind, wirkt der fünfte Gang eher als Reserve für Autobahnetappen. Fahrer, die im oberen Drehzahlbereich noch mehr Power suchen, sollten eher zur 1200er Speed Twin greifen. Doch für den Alltag und gelegentliche Ausflüge bietet die 900er mehr als genug Leistung. Wer ordentlich Schub bei niedriger Drehzahl sucht, gerne länger in einem Gang verweilt und auf kernigen, authentischen Sound steht, wird sich auf der Speed Twin gut aufgehoben fühlen.

Rahmen und Federung bleiben nicht verschont - zum Glück. Denn die bisherigen Einstellungen der Federelemente konnten Fahrten auf unebener Straße zur Schaukelpartie werden lassen. Die steifere 43-mm-Upside-Down-Gabel von Marzocchi sorgt nun für eine sportlichere Abstimmung, ohne den Komfort zu opfern. Im Vergleich zur Vorgängerversion fühlt sich das Bike straffer und präziser an. Besonders in Kurven überzeugt es durch leichtes Handling und spielerisches Umlegen, was ein schnelles Wechseln der Sitzposition und auch die Lenkung mühelos macht. Am Heck kommen Stereo-Federbeine mit externen Reservoiren (Piggy Back) zum Einsatz, die in der Vorspannung einstellbar sind. Der Federweg von 116 mm sorgt für eine ausgewogene Mischung aus Komfort und Sportlichkeit. Das Motorrad bleibt auch bei unebenen Straßenbelägen stabil und vermittelt Vertrauen, ohne zu stark einzuwippen wie der Vorgänger. Die Speed Twin 900 basiert zudem auf einem Stahl-Zentralrohrrahmen mit zwei Unterzügen. Dieses Konstruktionsprinzip soll für eine hohe Stabilität und ein ausgewogenes Fahrverhalten sorgen - was ich nun definitiv unterschreiben kann. Die Maschine macht es einem leicht, die Linie in jeder Situation zu halten und es gibt so keine negativen Überraschungsmomente. Hinzu kommt die Aluminium-Zweiarmschwinge, die auch das zu haltende Gewicht von 216kg unterstützt. Im Zusammenspiel mit dem überarbeiteten Fahrwerk ergibt sich ein agiles und gleichzeitig vertrauenserweckendes Handling, das auch auf den schnelleren, aggressiveren Fahrer ansprechend wirken sollte.

Das Update zeigt sich optisch deutlich verändert und moderner als der Vorgänger. Der neue Tank ist drahtiger und kantiger gestaltet – eine bewusste Abkehr von der rundlichen Bonneville-Form. Die markanten Cut-Outs am Tank passen meiner Meinung nach stilistisch hervorragend zum Rest der Optik und wirken, als gewährleisteten sie etwas mehr Lenkeinschlag. Dieses hübsche Gadget, das auch auf der Speed 400 zu finden ist, ist jedoch mehr Kategorie Style- Enhancement. Die sportlicher gestalteten Verkleidungspanels an den Seiten tragen zu einem aufgeräumten, dynamischen und fast eleganten Look bei. Hier wird klar, dass die Speed Twin 900 nicht mehr nur ein stilvolles Retro-Bike sein möchte, sondern mit ihrer Formensprache auch jüngere und sportlich orientierte Fahrer anspricht. Da zähle ich mich an dieser Stelle gerne dazu. Dieser Eindruck wird durch die Farbpalette verstärkt: Neben klassischem Grau/Silber gibt es auffälligere Varianten wie Schwarz mit goldenen Akzenten sowie Weiß-Orange-Blau. Mit einem passenden Helm, wie es meiner dann aus reinem Zufall war, macht man sicherlich überall Eindruck und sticht heraus. Ich könnte mich nur schwer zwischen den Farboptionen entscheiden - sowohl das silbrige klassische Finish, als auch die pure White Edition sind für mich persönlich echte Eye Catcher. Ein weiteres großes Plus sind die überarbeiteten LED-Lichtelemente. Der neue LED-Scheinwerfer mit integriertem Tagfahrlicht lehnt sich an die teureren Modelle des Bonneville-Lineups an, während die kompakteren LED-Blinker und das kleinere Rücklicht zum aufgeräumten Look beitragen. Alles wirkt stimmig und rundet die Formen der Klassik mit den Vorteilen moderner Technologie zu einem überzeugenden Paket ab.

Die Bremsanlage wurde ebenfalls überarbeitet. Vorne sorgt eine schwimmend gelagerte 320-mm-Bremsscheibe mit radialem Vierkolben-Bremssattel für eine kräftige und gut dosierbare Bremsleistung. Die Hinterradbremse fällt jedoch etwas ab: Sie wirkt im Vergleich zur Vorderbremse zu lasch und erfordert kräftigeres Zutreten, um wirkungsvoll zu bremsen. Ich habe sie letztendlich kaum benutzt und hauptsächlich mit der Nutzung der Motor- sowie Vorderradbremse gespielt. Bei einer Vollbremsung als Probe griff auch das ABS frühzeitig ein, was sich ganz typisch durch das mechanische Rattern des Motorrads zeigte. Hier kann man sich also sicher fühlen und auch in Schreckmomenten einen Teil der Arbeit an die Speed Twin abgeben.

Mit einem Gewicht von 216 kg fahrfertig und einer Sitzhöhe von 780 mm (15mm mehr als zuvor) bleibt die Speed Twin 900 für kleinere Fahrer leicht zugänglich. Es gibt eine optionale Sitzbank von 760 mm Höhe, die für kürzere Beine in Kombination mit dem schmaleren Sitzbogen für gleichbleibenden Komfort und Sicherheit sorgt. Die um 6,5 cm abgesenkten Fußrasten,der sportliche aber weniger spitze Kniewinkel und die bequemere Sitzbank machen längere Fahrten nun auch für die großgewachsenen Kandidaten angenehm - ein großer Schritt in die richtige Richtung, der auch meinem Popo zu Gute kam. Der 12-Liter-Tank ist zwar eher knapp bemessen, reicht aber für den urbanen Einsatz und kürzere Landstraßentouren. Auf unserer Tagestour von 200km, die zu 80% von knackigem Tempo und steileren Anstiegen geprägt war, blieb der Verbrauch bei ca. 4,3 L. Das Tanken war erst am Ende des Tages nötig - also, Klagen auf hohem Niveau.