Husqvarna Nuda 900 R Gebrauchttest & Beratung

Der Großteil der Tests bei 1000PS dreht sich um Neumotorräder. Nicht nur, weil sie bei uns im Fokus stehen, sondern auch weil gebrauchte Motorräder beliebter Modelle nur schwer zu bekommen sind. Wer möchte schon sein geliebtes, möglicherweise seltenes Schätzchen den groben Journalistenhänden anvertrauen. Doch eine Adresse gibt es, wo Gebrauchtmotorräder in einer Anzahl vertreten sind, dass auch wir mal ran dürfen. Kameramann Schaaf und ich reisen nach Filderstadt im Süden Stuttgarts. In unmittelbarer Nähe des Flughafens erwartet uns Limbächer, der größte Motorradhändler Europas. Alleine hier, am größten von fünf Standorten in Deutschland, stapeln sich an die 2.000 Zweiräder aller Marken. Insgesamt werden ca. 5.000 Bikes jährlich an neue Besitzer übergeben, darunter auch sehr seltene Modelle, die man woanders lange suchen muss. Die Husqvarna Nuda 900 R ist mitunter ein solches seltenes Exemplar, vor allem wenn man noch gewisse Ansprüche an die Kilometerleistung und den Zustand der Maschine hat.

2007 wird die Marke Husqvarna von BMW übernommen, damit der bayrische Konzern Straßenmotorräder fernab des eigenen, damals etwas biederen Images bauen kann. Und das erste Modell dieser neuen, aufregenden und emotionalen Husqvarna Motorräder kann sich gleich sehen lassen. Die Nuda 900 erblickt das Licht der Welt. Für eine mitreißende, durchaus auch polarisierende Optik sorgen italienische Designer aus Varese, wo die Nuda zusammengebaut wird. Die Technik stammt aber großteils aus den BMW Hallen. Der Rotax-Reihenzweizylindermotor der F 800 Modelle wird aufgebohrt auf 898 cm³ Hubraum und bekommt einen Hubzapfenversatz von 45°. Durch den resultierenden Zündversatz von 415°/305° imitiert der Reihen-Zweier einen 45°-V2-Motor, was dem Aggregat eine aufregenden, rauen Charakter verleiht. 105 PS bei 8.500 U/min und mächtige 98 Nm Drehmoment bei 7.000 Touren leistet der Nuda Motor. Diese beachtliche Leistung wird kombiniert mit einem sportlichen Chassis, wenig Gewicht und Supermoto-ähnlicher Fahrzeuggeometrie. Das Ergebnis ist ein Funbike wie es im Buche steht, eine agile Kurvenjägerin sondergleichen, die sofort für Aufsehen sorgt. Die Verkaufszahlen halten sich trotz allgemeiner Bewunderung aber in Grenzen und nach ein paar Jahren wird den BMW-Obrigkeiten die hausinterne Konkurrenz auch zu viel, also verkaufen die Bayern 2013 die Marke Husqvarna an KTM, wo sie bis heute verbleibt. Die Produktion der Nuda Modellreihe findet dadurch aber ein jähes Ende und sie wird zum ungeliebten Kind, für welches sich niemand zuständig fühlt.

Damals wie heute gilt, wer sich eine Nuda für die sportliche Kurvenjagd zulegen möchte, der sollte zur R-Version greifen. Die Standard-Variante bot zwar auch schon viel Fahrspaß, doch allein das voll einstellbare Fahrwerk der Nuda 900 R bot große Vorteile, vor allem weil das Fahrwerk in Serie ziemlich hart abgestimmt war. Neben den hochwertigeren, voll einstellbaren Federelementen, bietet die Nuda 900 R auch bessere Brembo Bremsen, eine geradere, einteilige Sitzbank und eine kürzere Übersetzung. Optisch ist die R-Nuda leicht an der roten statt schwarzen Verkleidung zu erkennen. Zu guter Letzt seien noch die Karbon-Teile am Auspuff der Nuda 900 R erwähnt.

Auch unsere Test-Nuda ist ein R-Modell, wurde 2014 erstmals zugelassen, gehört also zu den letzten Baureihen der Nuda mit Bosch ABS, welches es ab 2013 gab. Knapp über 45.000 km hat sie auf der Uhr und ist bei Limbächer für 8.489 € zu haben. Wir freuen uns riesig auf den Test der exklusiven Husqvarna, doch leider sind wir zur falschen Zeit am falschen Ort. Unser Testgebiet, die sonst wunderschöne Schwäbische Alb, wird von einem Jahrhunderthochwasser geplagt, seit Tagen regnet es in einer Tour und zwischen Straßensperren und Überschwemmungen ist Motorradfahren eigentlich das Letzte, was man hier tun sollte. Doch der Terminkalender ist dicht verplant, die Chancen für einen Dreh bei Limbächer selten, also müssen wir durchziehen. Über den mangelnden Komfort wollen wir uns aber gar nicht beschweren, denn schlussendlich werden wir privilegierten Zweirad-Journalisten fürs Motorradfahren bezahlt, während um uns Menschen gegen die Wassermassen um ihr Hab und Gut kämpfen. Wir wünschen allen Betroffenen, dass sie gut durch das Wetterextrem kommen. Dennoch ist es gleichzeitig ein Drama, solch ein potentes Motorrad wie die Nuda 900 R zu bewegen, ohne ihr so richtig auf den Kolben fühlen zu können. Die Straßen sind waschelnass, teils fahren wir mit weniger als 20 m Sicht in eine weiße Wand hinein und bei 11°C ist kaum an schräge Action zu denken. Doch die Schlechtwetterphase geht langsam zu Ende und am Ende des Fahrtages erhaschen wir tatsächlich noch einen Blick auf die Sonne und finden ein paar halbwegs trockene Radien. Außerdem ist die Husqvarna Nuda 900 R auch abseits der tiefen Schräglagen ein interessantes Motorrad.

Schon beim Aufsteigen merkt man zum Beispiel, dass sie nichts für kurzbeinige Piloten ist. 870 mm sind eine stolze Sitzhöhe, wobei die schmale Taille und der dadurch kurze Schrittbogen diese Zahl etwas entschärft. Außerdem liegt der 13 Liter fassende Tank nicht wie üblich zwischen Lenker und Fahrer, sondern zieht sich tief unter den Sattel, was sich günstig auf die Gewichtsverteilung auswirkt. Die Sitzposition auf der Husqvarna Nuda 900 R ist extrem exponiert. Eigentlich war schon die KTM Duke, die wir auch als Vergleichsmotorrad mit der Nuda mitgenommen haben, für mich die Referenz in diesem Bereich. Doch auf der Nuda sitzt man noch mehr auf statt im Motorrad, streckt die Arme hinunter zum sehr breiten und geraden Lenker, während die Beine auf den recht weit oben liegenden Fußrasten ruhen. Der Oberkörper neigt sich leicht nach vorne, die Sitzposition bleibt aber grundsätzlich angenehm. Sobald man losrollt und die ersten Kurven anvisiert, spürt man sofort das willige Einlenkverhalten, welches gemeinsam mit der Ergonomie geradezu nach einem drückenden Fahrstil und enge Kurven verlangt. Trotz fehlender Fahrmodi und Traktionskontrolle ist der Motor aber auch kultiviert genug, um auf Alltagsfahrten oder beim Cruisen keine Faxen zu machen. Generell ist die Husqvarna Nuda 900 R erstaunlich entspannt bewegbar, nur die sportlich harte Sitzbank, knackig abgestimmte Federung und die strenggängige Kupplung mindern den Fahrkomfort etwas.

Aber wer legt bei der Husqvarna Nuda schon das Augenmerk auf Komfort? Vielmehr sind ihr Fahrverhalten, die aufregende Optik und der einzigartige Motor im Fokus der Interessenten. Und gerade Letzterer verzaubert uns schon beim Anlassen der Nuda. Der aufgebohrte Rotax-Reihen-Zweier bietet durch den Hubzapfenversatz ein ganz besonderes Klangerlebnis, welches von der damals bestehenden Schadstoffemmissions-Norm Euro3 kaum zurückgehalten wird. Mit einem aggressiven Röhren springt sie an, bassig bollert sie schon im Stand und entfesselt beim Losbeschleunigen ein furioses Brüllen. Der Klang aus dem Endtopf ist definitiv einer der größten Sex-Appeals der Nuda 900. Einen weiteren Punkt, der die Zweirad-Liebe entfacht, spürt man in Bewegung. Sie fällt sehr willig in Schräglage, braucht kaum Input über den breiten Lenker und bleibt in Schräglage dank des sportlich knackigen Fahrwerks schön stabil. Durch die exponierte Sitzposition, lässt sich die Nuda hervorragend durch die Radien drücken und je enger die Kurven, desto breiter wird der Grinser unter dem Helm. Hinzu kommt der recht quirlige und dennoch druckvolle Charakter des Motors, der begleitet vom Sound geradezu süchtig danach macht, kurze Gasstöße vor und nach der Kurve abzugeben. Trotz des aggressiven Klangs und sportlichen Charakters, ist der Motor aber kein ruppiger Geselle, sondern hängt sehr sauber am Gas und kann dementsprechend präzise verwendet werden. Ein komplettes Ausdrehen lohnt sich bei dem Reihenzweier nicht wirklich, aber dafür hat er eine sehr starke, druckvolle Mitte, was perfekt zum Gebrauch der Nuda auf der kurvigen Landstraße passt.

Wirft man einen Blick auf das Datenblatt der Nuda 900 R, fällt auf, dass sie für ein Naked Bike unüblich lange Federwege mitbringt, nämlich 210 mm vorne und 180 mm hinten. Die stolze Sitzhöhe ist eine Folge und möglicher Nachteil davon, dafür besitzt das Fahrwerk viele Reserven für unebene Straßen. Das sportliche Fahrwerk nutzt den langen Federweg aber nicht, um den Komfort zu erhöhen, sondern konzentriert sich auf Stabilität und Spurtreue. In online Foren liest man öfters, dass das Nuda Fahrwerk recht anspruchsvoll in der Einstellung ist und man als Laie nur schwer zum optimalen Setting findet. Bei unserem Test reichte die Zeit leider nicht, um sich mit der Fahrwerksverstellung genau zu beschäftigen, also müssen wir diesen Punkt unkommentiert lassen. Was wir aber bestätigen können, ist, dass die Kombination aus dem emotionalen Motor, der exponierten Sitzposition und dem knackigen Fahrwerk sehr gut harmoniert und extrem willig, schnell und präzise der Fahrlinie folgt.

Bei jedem Gebrauchtmotorrad muss man natürlich auch über bekannte Probleme und technische Schwächen sprechen. Bei der Husqvarna Nuda 900 halten sich die wiederkehrenden Wehwehchen in Grenzen und sie gilt generell als recht zuverlässig. Kleine Macken findet man dann doch, wie zum Beispiel dass die Nuda hier und da dazu neigt unvermittelt im Stand oder bei Standgas auszugehen. Üblicherweise startet sie aber sofort wieder und sofern dieses Problem nicht zu oft auftritt, gehört das laut Nuda-Besitzern einfach dazu. Weitere öfter in Foren diskutierte Probleme sind die miesen Serienreifen, Schwingen mit Spiel, Überhitzungsprobleme, undichte Rahmen und eine leckende Wasserpumpe aufgrund nicht dichtender Graphitringe. Auf diese Schwächen gilt es beim Gebrauchtkauf zu achten, sie treten aber allesamt nicht übermäßig häufig auf. Aber ein großes Problem hat die Nuda dennoch. Ersatzteile und Nuda-spezifisches Mechaniker-Knowhow sind nur schwer zu bekommen, da sich kein Hersteller mehr für das Modell zuständig fühlt. BMW verweist auf KTM, KTM auf BMW und als Nuda-Besitzer steht man verloren in der Mitte.

Doch wie ist die Situation am Gebrauchtmarkt überall? Wer an der Husqvarna Nuda 900 interessiert ist, muss schon etwas Kleingeld in die Hand nehmen, vor allem wenn es eine Nuda 900 R werden soll. Aufgrund ihrer Seltenheit und gleichzeitig angesehenem Ruf sind die Nuda Modelle seit Jahren extrem preisstabil. In Österreich muss man zwischen 8.500 und 10.000 € für eine Nuda abdrücken, in Deutschland sind es zwischen 6.000 und 10.000 €, wobei die günstigeren Stücke hier schon weit mehr als 50.000 km gelaufen sind. Alle aktuellen Preise und Angebote zur Husqvarna Nuda 900 für die Schweiz, Österreich und Deutschland gibt es hier.